Sonntag, 16. April 2017

Liebe im Herzen suchen - nicht das Leid!

Es ist heute Ostersonntag 14:00 Uhr. Ich habe mich bis jetzt von Stunde zu Stunde gequält. Seit 2 Tagen nicht gewaschen, nicht aus dem Haus gewesen und kaum eine Beschäftigung gefunden. Jetzt sitze ich also hier und schreibe in meinem Blog.
Ich bin gespalten. Einerseits ist es mir peinlich, dass ich in aller Öffentlichkeit solch private Gedanken zum Besten gebe, aber andererseits motiviert es mich, dass ich das Ganze nicht für mich alleine machen, sondern dass der jemand vielleicht sich doch die Mühe macht, meine Schrieben zu verfolgen - was mich ehrlich gesagt verwundern würde. Trotzdem, die Möglichkeit besteht.
Wo waren wir in meinem letzten Eintrag stehen geblieben? Ah ja, beim Selbstmitgefühl.
Das ist ein für mich neuer Begriff, dem ich bei meiner jüngsten Beschäftigung mit Recovery begegnet bin. Ferdinand hat mich auf die Website von Andreas Knuf aufmerksam gemacht, wo dazu eine kurzer Text steht. Ich war ganz begeistert, von diesem Ansatz. Nämlich nicht dass das Selbstwertgefühl das Ziel aller therapeutischer Bemühungen sein sollte, sondern der mitfühlende und achtsame Umgang mit sich selbst. Wenn jemand lernt, sich anzunehmen wie er ist und seine Schwächen sich selbst verzeihend akzeptieren kann, dann hat er eine Stärke, die ihm selbst inne wohnt. Das Selbstwertgefühl hat mit Wertigkeit zu tun, wie der Name schon sagt. Und Wertigkeit ist eine unsichere Sache, weil ich diesen Wert am Außen festmachen muss. Wenn ich einen Wert haben will, muss ich Leistung bringen, um mir diesen Wert zu erarbeiten. Bin ich schwach und krank, habe ich kaum eine Chance einen hohen Wert zu erlangen. Ich laufe Gefahr ständig unerfüllbaren Zielen hinterher zu eifern.
Anders ist es, wenn ich versuche meine psychischen Einschränkungen anzunehmen und trotz dieser liebevoll und freundlich zu mir zu sein. Mich nicht in das Hamsterrad der Suche nach Erfolg und Bedeutung - also Wert - zu begeben, sondern mich mit meinen psychischen Schmerzen anfreunde.
Bisher habe ich mich geweigert, meine Probleme als Folge meiner psychischen Behinderung anzuerkennen. Ich habe mit aller Gewalt versucht den Begriff krank für mich abzulehnen und den Problemen als scheinbar Gesunder zu begegnen. Ich weiß nicht, ob mir das gut getan hat. Sicher habe ich so manches erreicht, auf  das ich heute auch stolz bin, aber habe ich mich als Mensch weiter entwickelt? Ich bin immer noch abhängig von Erfolg, Anerkennung und Leistung. Wenn ich nicht funktioniere bin ich unglücklich. Wenn ich keine Aufgabe habe, werde ich lustlos und gelangweilt. So kann es nicht weitergehen.
Ich möchte zu einer inneren Zufriedenheit gelangen, die stärker ist. Die in meiner Person begründet ist. Oder bin ich hier auf dem Holzweg und es ist immer so, dass ein Mensch nur zufrieden sein kann, wenn er möglichst viele Aktivitäten verfolgt? Es ist ja nicht so, dass ich nichts mehr tun will. Aber ich will nicht mehr so abhängig von diesem Tun sein. Oder bin ich unausweichlich meinen Zerissenheiten ausgeliefert, weil sie eben zu meiner Person gehören?
Ein weitere Punkt ist es, dass ich dadurch, dass ich meine seelischen Schmerzen wortreich ausdrücke und immer wieder diese zum Thema mache, diese auch an mich binde. Ich sollte die Leiden annehmen, aber auch wieder gehen lassen. Nicht wie in den 90er Jahre eine Experte im Ausdrücken von Schmerz zu werden und mir nachdrücklich auch ein entsprechendes Vokabular anzueignen, sondern versuchen positiv zu bleiben. Um gute Laune zu ringen. Das Schöne, das Positive sehen und nicht den Blick auf meinem Leiden lassen. Versuchen Freude zu finden, auch in der dunkelsten Dunkelheit. Das ist die Kunst. Nicht zum klagenden Poeten und Experten Seelenschmerz zu werden, wie ich es bisher gemacht habe. Mit diesem Trick habe ich Menschen gesucht, die sich von meinen scheinbaren Qualen beeindrucken lassen und Interesse an solchen Zuständen haben - meist auch, weil sie sie selbst kennen.
Wird mir die Umkehr gelingen? Das Glas halb voll zu sehen und nicht weiter halb leer? Mich dem Licht zuzuwenden und nicht im schmerzvollen Klagen zu verharren. Ja, manches auch mit mir selbst auszumachen und nicht jedes psychisches Problem mit anderen besprechen zu müssen. Ist es wirklich so hilfreich immer auf ein offenes Ohr zu hoffen? Werden die Probleme dadurch weniger?
Sicher ich will weiterhin über meine Gefühle reden, weil es wichtig ist, sich über Gefühle auszutauschen, weil sie ein wesentlicher Bestandteil des Menschseins sind und das Zusammenleben nur möglich ist, wenn Wissen darüber vorhanden ist, wie es dem Anderen geht. Nur so ist gegenseitiges Verständnis möglich. Aber man kann dies von einer negativen oder positiven Weltsicht aus tun und das ist das Entscheidende. Ich möchte gute Stimmung bringen und Mut machen und nicht die Traurigkeit der Welt mit meinen Klagen noch fördern. Mein Zweck der Existenz ist es, ein liebender Mensch zu werden und zu bleiben. Das geht aber nur, wenn man auch Liebe in die Welt bringt. Und was ist freudiger als jemand wirklich zu lieben. Lieben ist Freude. Und wer es schafft sich selbst und andere zu lieben, der spendet Trost und Hoffnung.
"Liebe deinen Nächsten wie dich selbst". Ein kurzer Satz der alles auf den Punkt bringt. "Glaube, Hoffnung Liebe, aber die Liebe ist das Größte unter ihnen". Noch ein kurzer Satz, der die Prioritäten klärt.
Wenn ich es schaffe mir immer wieder bewusst zu machen, dass ich Liebe im Herzen trage - für mich und für andere - dann gelingt mir die Umkehr. Dieser Text ist ein Schritt in diese Richtung.

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